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Auweia, das wird nicht billig werden…. (Motorrevision S800)

#1 von Lingi , 14.01.2025 21:38

!Warnung vorab! Beitrag nur mit gut geschmiertem Mausrad lesen!

Auweia, das wird nicht billig werden…dachte ich mir als mir im Sommer 2023 der plötzlich angestiegene sehr hohe Ölverbrauch meines S800-Motors auffiel.

Auch hatte der Motor einen mysteriösen, stärker werdenden Ölverlust über dem Kettenspanner den ich lange einfach nicht lokalisieren konnte. Der alleine konnte das verschwindende Öl aber nicht erklären. (Hochgerechnet zuletzt deutlich über 1,5l auf 1000km)

Blauer Rauch aus dem Auspuff viel mir erst nach einiger Zeit auf…Der Fahrtwind kaschierte diesen zunächst immer gut. Wenn man darauf achtete, bläute es aber unter Last merklich aus dem Auspuff.

Die Kompression war auf allen Zylindern mit 10,5 - 11,5 bar zwar soweit noch ok, trotzdem war klar dass das so nicht bleiben kann, also wurde das gute Stück mal ausgebaut und zerlegt.


Außer dem sich auf verschiedene Weise entfernenden Öl, missfiel mir akustisch auch immer schon ein in Motornähe undicht klingender Auspuff und eine rasselnde und rupfende Kupplung.

Im Winter 2023 folgte dann die Bestandsaufnahme. Mit mehr Themen als erwartet:

Einer der Vorbesitzer hatte den Alu-Motor mit silberner Farbe bepinselt und alles üppig mit so einem knusprig werdenden braunen Dichtmittel zusammengebaut. (Da überall aber etwas öl rauskam, scheinbar nur mäßig erfolgreich.



- Ölabstreifring Zyl. 3 gebrochen (Ach da ging mein Öl hin)


- Freundlich grinsender Riss im Motorblock bis nach außen über dem Kettenspanner. (Ach da kam das Öl raus)


- Abgaskrümmer hatte wie schon erwartet zahlreiche Löcher und Flansch-Undichtigkeiten
Kein Foto, verpasst man aber auch nichts…

- Kupplungsscheibe näherte sich der Verschleiß-grenze...vor allem nervte das Rupfen beim Anfahren.

Meine Schwungscheibe und Druckplatte war dagegen in super Zustand und noch original, was wohl oft nicht so ist.
Dummerweise ist mir die Schwungscheibe dann im Keller runter gefallen und einer der Flansche ist abgebrochen….hab ich mich sehr über mich selbst geärgert…

- Der Zylinderkopf hatte leider erhebliches Karies in den Kühlkanälen - bis fast an die Brennräume
Das Material konnte man mit dem Fingernagel rauskratzen. Jemand eine Theorie wie sowas passiert?


- Starke Ablagerungen im Kühlkreislauf



- Von der Choke Plate im Wasserkanal des Zylinderkopfs war nicht mehr viel übrig. Jetzt ist eine aus Edelstahl drin.

- Das Motorgehäuse hatte auch noch diese Spannungsrisse


- Die Schleuderringe der Kurbelwelle sind verschmutzt


- Das Ölsieb hatte wohl schon vor längerer Zeit gekündigt.


- Ersatz-Lagerrollen, Ersatz-Schrauben befanden sich im Motor...wie praktisch! 5mm dicker Schlamm fand sich noch in der Ölwanne


- Diverse Schraub-Löcher die wohl mal mir Öl/Schmutz gesprengt wurden.

- Wie man diesen Flansch mit einer Kreuz-Schraube abbricht…keine Ahnung…er war aber unauffällig wieder drangeklebt:


- Die Zähne der Kettenräder waren zum Teil schon etwas Aerodynamisch geformt:


Tja nun, in den good old US of A würde man da jetzt wohl den Motor irgend einer alten CBR1000 rein basteln.
Das kostet ein Drittel eines Neuaufbaus des S800-Motors, und man hat dann die 2,5 - 3 fache Leistung.
Spaß machen würde dies sicher auch irgendwie (und ist alleine deshalb schon in Deutschland verboten).
Aber auch ohne die deutsche STVZO wäre es gar nicht das was für meinen S800 gewollt hätte…

Die Kurbelwelle ging zu einem hervorragenden Instandsetzer mit viel S800-Erfahrung und wurde komplett überholt.
Diesen stabilen Alu-Koffer lieh ich mir von einem Bekannten der ihn seit 20 Jahren ungenutzt im Keller hatte…


Und die Entscheidung zur Überholung war wohl die Richtige, denn so richtig glücklich sah die Welle nicht mehr aus:





Nach einigen Wochen kam sie dann Instandgesetzt mit neuen Lager und neuen Pleuel zurück:


Der alte abgenudelte Gewinde-Welle ganz vorne wurde abgesägt und eine neue angeschweißt.



Die Kolben wurden genau ausgewogen, damit sie nahezu exakt gleich schwer waren…Wenn die Welle schon so präzise gemacht wird, haben wir uns bei den Kolben natürlich auch Mühe gegeben.


Alte Teile hab ich sauber, fit und einbaufertig gemacht:



Neue Kettenräder hab ich verbaut. Dazu muss man die bisherigen Nieten aufbohren, in die Niete ein Gewinde schneiden, und in die Niete einfach festgeschraubt….die Schrauben musste ich form Motorzusammenbau nochmal durch welche mit flachem Kopf tauschen.

War alles natürlich recht schmutzig…und mit darauf gepinselter Farbe


Quiz-Frage für alle die wie ich mit Autos aus den 80er/90ern aufgewachsen sind:
Was ist das? Ich hab's nicht gewusst, und war verwundert dass man den Motor weit zerlegen muss, um da ran zu kommen.
Habe ich jedenfalls geöffnet (wofür man erstmal einen Tipp vom Profi braucht wie überhaupt) und von Ölschlamm gereinigt.


Neue nachproduzierte und gute gebrauchte Teile gekauft:




Einbaufertige 61mm Laufbuchsen:


Der Kühler hatte eine kleine Undichtigkeit und sah ohnehin nicht mehr hübsch aus…die Aufkleber hatten auch gefehlt:
Quizfrage 2: Wie verletzt man sich mit der flachen Seite eines Schraubenzieher oben am Kopf während man aufrecht steht?





Den Vergaser habe ich selbst zerlegt, gereinigt und mit neuen Dichtungen versehen….da ich das das erste Mal gemacht habe, habe ich auch 3 Versuche gebraucht, bis er einwandfrei lief. Aber am Ende war ich erfolgreich.

Diese kleinen O-Ringe z.B: kann man verkehrt herum einbauen….hab ich gehört….




Endlich bekam mein Motor dann auch ein zum Baujahr und Ventildeckel passende Kerzenabdeckung:

Meine bisherige hatte 3 Lackschichten in unterschiedlichen Farben und 3 Löcher, da sie vom falschen Modelljahr war.

Motorgehäuse und Zylinderkopf habe ich gegen sehr gut erhaltene gebauchte andere Originale getauscht.
Der "neue" Zylinderkopf mit dazugehöriger Ansaugbrücke bekam zudem bereits schon beim bisherigen Besitzer bearbeitete Ansaugkanäle.

Schließlich ging es (demütig als Lehrling bei einem sehr sehr erfahrenen Kenner dieses Triebwerks) an den Zusammenbau:














Ab auf das Testgestell zum Probelauf. Auch damit die Kopfschrauben nach einem Temperatur-Zyklus einfacher als im Fahrzeug nachgezogen werden konnten:


Einen kompletten, neuen nachproduzierten und zusammen feingewuchteten Satz Schwungscheibe mit Kupplung, hab ich dem Motörchen dann auch spendiert.


Erster Start nach dem Zusammenbau:
https://youtube.com/shorts/hWzVOe5RbH4?feature=share

Erfreulicherweise lief er gut:
https://youtube.com/shorts/v2OmlSlGIJU?feature=share

Und nahm auch erfreut Gas an:
https://youtube.com/shorts/mQNo8JvJV0g?feature=share

So nun fehlte nur noch mein Auto, welches dann zum Motor gebracht wurde… und rein mit dem frisch gemachten Motor:



Das Ganze hat am Ende zwar länger gedauert als geplant, hat aber Spaß gemacht und ich konnte wieder sehr viel lernen und nach 10 Monaten flitzte der S800 an diesem Abend wieder fröhlich über die Straßen….und spritziger als je zuvor!


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zuletzt bearbeitet 14.01.2025 | Top

RE: Auweia, das wird nicht billig werden…. (Motorrevision S800)

#2 von Lingi , 14.01.2025 21:41

Bonus:
Die Benzinpumpe war natürlich auch mit dem Pinsel und einem Eimer schwarzer Farbe verunstaltet wurden.
Habe ich entlackt, schön sauber gemacht, und den Teil aus Stahl silber lackiert.



Die Feder der mittleren Verdeckverriegelung war gebrochen. Daher hing der Riegel traurig unter und klapperte vor sich hin.
Ein 10er Pack Schenkelfedern für Mülleimer-Deckel von Amazon passten nach ein bisschen biegen, einwandfrei:


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RE: Auweia, das wird nicht billig werden…. (Motorrevision S800)

#3 von Hondagerhard , 15.01.2025 00:25

Die Werkstatt und der Prüfstand kommt mir aber sehr bekannt vor.


www.brisk-berlin.de



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findet das lustig!
 
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RE: Auweia, das wird nicht billig werden…. (Motorrevision S800)

#4 von Märchenonkel , 15.01.2025 17:38

Boah, was für ein Bericht. Klasse! Danke dir.


 
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RE: Auweia, das wird nicht billig werden…. (Motorrevision S800)

#5 von Lingi , 16.01.2025 10:32

Noch ein paar Kleinigkeiten:

- Die Fahrgestellnummer wurde irgendwann mal "überbeschichtet" und anschliessend wieder freigemeißelt. Sah grausam aus...
Ich habe versucht den Bereich der Fahrgestellnummer weniger hässlich aussehen zu lassen.

- Die Wasserschäuche zu Heizung etwas gekürzt, damit ich tatsächlich auch an den Ölmessstab ran komme. War bisher von diesen Überdeckt.

- Auf anraten ein el. Abschaltventil für die Benzinzufuhr verbaut. So muss man keine Sorge haben dass in ungünstigen Situationen der Motor mit Sprit voll läuft.
Soll wohl schon vorgekommen sein.


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